Lübecker Nachrichten 03.08.2016
Bundesverkehrswegeplan: Milliarden fließen in den Norden
Viel Bundesgeld für Straßen und Kanäle im Norden, weniger als erhofft für die Schiene - die Infrastruktur in Schleswig-Holstein profitiert unterschiedlich vom neuen Bundesverkehrswegeplan. Der Nord-Ostsee-Kanal wird ausgebaut, die A20 auch und mehrere Städte bekommen Ortsumgehungen im Zuge von Bundesstraßen.
Berlin/Kiel. Mit dem neuen Verkehrswegeplan treibt der Bund wichtige Projekte in Schleswig-Holstein voran. Im sogenannten vordringlichen Bedarf sind mehrere Autobahnen ebenso enthalten wie der Nord-Ostsee-Kanal und der Elbe-Lübeck-Kanal. Der Bund will in Deutschland bis 2030 fast 270 Milliarden Euro in Straßen, Schienen und Wasserwege investieren. Das sieht der Plan vor, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat. Der Bundestag muss dazu noch Ausbaugesetze verabschieden.
Für Schleswig-Holstein sprach Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele von Licht und Schatten. Bei Straßen und Wasserstraßen zeigte er sich zufrieden. Mit Enttäuschung quittierte Nägele das Fehlen von Schienenprojekten, die aus Landessicht wichtig sind. So fehlt das erhoffte dritte Gleis für die Strecke Hamburg-Elmshorn, nachdem es im alten Bundesverkehrswegeplan schon im vordringlichen Bedarf gestanden hatte. Auch ein Ausbau der Marschenbahn (Hamburg-Westerland/Sylt) und eine Elektrifizierung des Hindenburgdamms nach Sylt sind nicht enthalten. „All das sind Projekte, die wichtig sind“, sagte Nägele. „Wir wünschen uns, dass die künftig da noch reinkommen.“
Das Konzept von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) legt einen Schwerpunkt auf den Erhalt des bestehenden Netzes. Vor allem sollen überregional bedeutende Engpässe beseitigt werden.
Zu den vorrangigen Projekten im Norden gehören der Weiterbau der A20 samt Elbquerung, der vierspurige Ausbau der A21 von Bargteheide bis Schwarzenbek und der sechsspurige Ausbau der A23 zwischen Tornesch und Hamburg-Eidelstedt. Auch Ortsumgehungen wurden in diese Kategorie aufgenommen, zum Beispiel in Geesthacht, Lauenburg, Handewitt, Kiel, Itzehoe, Ratzeburg und Glückstadt. Im Gegensatz zum Entwurf vom März rückte auch noch die Ortsumgehung von Tating im Zuge der B202 auf Eiderstedt in den vordringlichen Bedarf.
Insgesamt will der Bund im nördlichsten Bundesland für neue, laufende und fest disponierte Vorhaben im Bereich Straße gut drei Milliarden Euro ausgeben. Dies entspricht einem Anteil von 4,4 Prozent an den geplanten Gesamtausgaben des Bundes von gut 69 Milliarden. Damit rangiert Schleswig-Holstein im Mittelfeld. Unabhängig vom Bundesverkehrswegeplan sind der Neubau einer Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal bei Rendsburg im Zuge der A7 und der mit Dänemark geplante Fehmarnbelt-Tunnel ohnehin gesetzt.
Überraschend war schon im März auch der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals (790 Millionen Euro) in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden, obwohl das Nutzen-Kosten-Verhältnis relativ niedrig ist. Grund ist offenkundig der ebenfalls geplante vorgezogene Neubau der Schleuse Lüneburg-Scharnebeck. Die Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals ist mit 263,4 Millionen Euro im vordringlichen Bedarf veranschlagt. Darüber hinaus standen rund 260 Millionen Euro für den Ausbau der Oststrecke des Kanals zwischen Kiel und Rendsburg schon länger fest.
Knapp die Hälfte aller Bundesmittel fließt dem Plan zufolge in Bundesstraßen und Autobahnen. Fast 42 Prozent sind für Bahnprojekte vorgesehen, der Rest für Wasserwege. Aus Sicht von Grünen und Umweltschützern ist die Liste unbezahlbar; zudem werde der Klimaschutz vernachlässigt.
Der schleswig-holsteinische CDU-Verkehrspolitiker Hans-Jörn Arp forderte vom Land unverzüglich zusätzliche Planungsstellen und mehr Mittel für die externe Vergabe von Planungsleistungen. Andere Länder wie Bayern hätten diese längst bewilligt. „Im Süden fangen sie schon wieder an, auf Vorrat zu planen“, sagte Arp. „Dort wartet man nur darauf, dass Schleswig-Holstein seine Gelder wieder nicht verbauen kann, um diese Mittel auch noch abzugreifen.“
TAZ 03.08.2016
Asphaltschneisen in Norddeutschland
Der Bundesverkehrswegeplan sieht Milliarden für Straßen und Schienen im Norden vor. Kritiker sprechen allerdings von schöngerechneten Prestigeprojekten.
Viel Schotter für neue Pisten
Der Bundesverkehrswegeplan sieht Milliarden für Straßen und Schienen im Norden vor. Kritiker sprechen allerdings von schöngerechneten Prestigeprojekten.
HAMBURG taz | Für mehr als 23 Milliarden Euro sollen im Norden Straßen, Schienen und Brücken gebaut werden. Das Fazit von Valerie Wilms zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 fällt trotzdem nüchtern aus: „Die Betonmischer haben sich durchgesetzt“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete. Der Plan, den das Bundeskabinett am Dienstag beschlossen hat, listet Hunderte von Infrastrukturprojekten in ganz Norddeutschland auf (siehe Kasten).
Wilms Kollege Konstantin von Notz nennt ihn eine „Wünsch-Dir-Was-Liste von überdimensionierten Prestigeprojekten“. Welche Projekte tatsächlich realisiert würden, sei völlig offen, stellt Wilms klar, denn der Plan sei drastisch unterfinanziert.
Am Beispiel der Hinterlandanbindung des von Dänemark geplanten Fehmarnbelt-Tunnels rechnet von Notz das vor. Im BVWP seien dafür 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, „und das reicht hinten und vorne nicht“, sagt von Notz. Ein Ersatz für die betagte Fehmarnsund-Brücke, mindestens 300 Millionen Euro teuer, ist in den Kosten noch gar nicht enthalten, selbst der Bundesrechnungshof gehe inzwischen von Kosten von bis zu drei Milliarden Euro aus.
Mit den bewusst niedrig angesetzten Beträgen werde ein höherer Kosten-Nutzen-Faktor erreicht. Der absehbare Effekt: Wenn alles doppelt so teuer würde wie heute behauptet, könnte nur die Hälfte der Vorhaben überhaupt realisiert werden. „Die Bundesregierung rechnet den Belt-Tunnel schön“, so von Notz ’ Vorwurf.
Die großen Projekte
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 umfasst über 100 Infrastrukturprojekte im Norden für mehr als 23 Milliarden Euro. Die wichtigsten sind:
Bremen: Ausbau des Bremer Autobahnkreuzes und der A281 samt Weserquerung: 521 Millionen Euro. Vertiefung der Außen- und Unterweser: 93 Mio.
Hamburg: Ausbau und Überdeckelung der A7 nördlich des Elbtunnels: 756 Mio. Weiterbau der A26 von Niedersachsen bis Zur A1 bei Stillhorn (Hafenquerspange): 1,134 Mrd. Elbvertiefung: 398,1 Mrd.
Niedersachsen: Bau der A20 von der Elbe bis Westerstede: 2,589 Mrd. Bau der A26 bis Hamburg: 156,1 Mio. A39 Lüneburg bis Wolfsburg: 1,083 Mrd. Ausbauten von Schienenstrecken im Zusammenhang mit Alpha-E-Variante (modifizierte Y-Trasse): 3,890 Mrd.
Schleswig-Holstein: Ausbau der A7 von Hamburg bis Bordesholm: 792,8 Mio. Weiterbau der A20 von Weede bis zur Elbe: 1,156 Mrd. Hinterlandanbindung Fehmarnbelt (ohne Sundbrücke) 1,767 Mrd. Ausbau Nord-Ostsee-Kanal: 523,4 Mio.
Ähnliches gilt auch für andere Großprojekte wie die Küstenautobahn A20. Die notwendige Unterquerung der Elbe ist außen vor, weil der Tunnel privat finanziert und mautpflichtig werden soll. Also taucht er in den Kostenrechnungen des Bundesverkehrsministeriums nicht auf. Ebenso wird bei der geplanten Elbvertiefung nur der Bundesanteil von knapp 400 Millionen Euro genannt, die zusätzlichen etwa 200 Millionen Euro, die Hamburg aufbringen muss, fallen unter den Tisch.
Nicht viel anders verfährt der Plan mit dem Schienenausbau in Niedersachsen. Ausbau und Erneuerung der Trassen zwischen Hamburg, Bremen und Hannover, jahrzehntelang „Y-Trasse“ genannt, inzwischen zu mehreren „Alpha-Varianten“ umdeklariert, benennt der Plan nur in losen Etappen zu Kosten von knapp vier Milliarden Euro. Inzwischen liegen jedoch Kostenrechnungen in doppelter Höhe vor.
Ähnlich verhält es sich mit der maroden Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen. Der bis 2030 notwendige Ersatzbau taucht im BVWP gar nicht auf. Darüber müsse mit dem Bund gesondert verhandelt werden, teilt die Hamburger Wirtschafts- und Verkehrsbehörde auf Anfrage mit. Die Elbvertiefung zum Hafen wolle der Bund finanzieren, die Zufahrten an Land aber möglichst nicht: Klingt durchdacht.
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